Etwa 18 Prozent der Personen in Österreich haben laut Erhebungen der Statistik Austria eine physische oder psychische Behinderung. Auf Webseiten, Online-Portalen oder in Software stoßen diese Personen immer wieder auf Barrieren, die es ihnen schwer machen, diese digitalen Services zu nutzen oder online Informationen zu erhalten. Ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, kann unter diesen Umständen für die Betroffenen schwierig oder unmöglich sein.
Um diese Barrieren zumindest im staatlichen Einflussbereich abzubauen, wurde 2019 das Web-Zugänglichkeits-Gesetz geschaffen: Es schreibt vor, dass digitale Informationsangebote der öffentlichen Hand, also etwa Webseiten oder digitale Dokumente, barrierefrei gestaltet sein müssen. Auch die Universität Wien ist durch das Gesetz verpflichtet, digitale Inhalte barrierefrei anzubieten.
Ich seh, ich seh, was Du nicht siehst
Was etwa eine barrierefreie Webseite genau ausmacht, ist in den Web Content Accessibility Guidelines, kurz WCAG, definiert. Ein Beispiel: Sehbeeinträchtigte Personen können Schrift schwer erkennen, wenn sie einen geringen Kontrast zum Hintergrund aufweist. Etwa wenn eine helle Schriftfarbe vor weißem Hintergrund gewählt wird. Die WCAG legen daher fest, dass ein bestimmtes Kontrastverhältnis zwischen Vordergrundfarbe und Hintergrundfarbe erreicht werden muss.
Weit verbreitet ist auch die Rot-Grün-Sehschwäche, Schätzungen zufolge sind etwa 8 bis 10 Prozent der Männer von ihr betroffen. Sie können zwischen den Farben Rot und Grün nicht oder nur unzureichend unterscheiden. Problematisch wird das dann, wenn diese beiden Farben das einzige Merkmal sind, um Information zu vermitteln oder ein visuelles Element von anderen zu unterscheiden. Betroffenen bleibt diese Unterscheidung verborgen. Die WCAG definieren daher, dass Farbe nicht das einzige Mittel sein darf, um Information zu vermitteln.
Blinde oder stark sehbeeinträchtigte Personen nutzen sogenannte Screenreader, wenn sie sich im Internet bewegen. Diese Software-Produkte lesen den Inhalt einer Webseite vor. Um beispielsweise die Struktur einer Webseite schnell zu erfassen, lassen sich Betroffene die Überschriften der Seite gesammelt vorlesen, wie ein Inhaltsverzeichnis. Redakteur*innen müssen daher beim Erstellen einer Seite die Überschriften sinnvoll benennen und die Hierarchie dieser Überschriften logisch aufbauen.
Admin-Tool für Webseiten-Check
Die Web Content Accessibility Guidelines enthalten noch viele weitere Kriterien, die erfüllt werden müssen, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Den Administrator*innen von Webseiten der Universität Wien stellt der Zentrale Informatikdienst daher nun das neue Service Barrierefreiheit prüfen zur Verfügung: Es basiert auf der Software axe Monitor, die Webseiten auf Barrierefreiheit prüft. Die Software läuft im Browser und erstellt nach der Prüfung einen Bericht mit den gefundenen Barrieren. Das Service richtet sich an Administrator*innen mit technischen Grundkenntnissen zu Webseiten, da diese für die Interpretation des Berichts nötig sind.
„Auf Wunsch wiederholt axe Monitor die Prüfung in regelmäßigen Intervallen. Schließlich kommen ständig neue Inhalte auf einer Webseite dazu und damit möglicherweise neue Barrieren“, erklärt Philipp Köhn von der Stabsstelle Koordination digitale Transformation, der am ZID die Einführung von axe Monitor koordiniert hat. Er ergänzt: „axe Monitor findet viele grundlegende Probleme auf Webseiten. Das Tool kann aber niemals so gründlich sein wie der Blick von Expert*innen für Barrierefreiheit.“
Einfacher haben es Administrator*innen von Webseiten, die das zentrale Content-Management-System TYPO3 nutzen. Vor der Einführung von axe Monitor wurden auf diesen Webseiten nämlich bereits jene Barrieren entfernt, die sich zentral über TYPO3 verhindern lassen. Dabei wurde die Universität Wien von der auf Barrierefreiheit spezialisierten Agentur WIENFLUSS unterstützt, die eine Liste mit Empfehlungen für die Webseiten der Universität Wien erstellte.
Martin Rauch vom Team der DLE Öffentlichkeitsarbeit nennt ein Beispiel: „Mehrere Farben im Corporate Design der Universität Wien haben auf weißem oder grauem Hintergrund zu wenig Kontrast. Diese Farben wurden daher in TYPO3 angepasst.“ Um weitere, etwa inhaltliche Barrieren zu vermeiden, ist es aber auch bei TYPO3-Webseiten ratsam, eine Prüfung mit axe Monitor durchzuführen.
Martin Rauch gibt einen Ausblick auf weitere Maßnahmen: „Für kommende Webrelaunches wird das Thema Barrierefreiheit zentral verankert, damit der Quellcode gleich von Beginn an korrekt ist. Außerdem sollen Redakteur*innen künftig beim Befüllen der Webseiten direkt bei den Eingabefeldern in TYPO3 Hinweise erhalten, wie sie Inhalte barrierefrei gestalten können.“
Digitale Barrierefreiheit universitätsweit umsetzen
Die Einführung von axe Monitor und die Anpassung von TYPO3 sind nur zwei Maßnahmen, die Ergebnisse des Projekts Digitale Barrierefreiheit sind. Projektleiter Rainer Jantscher aus dem CIO Office des ZID schildert die Motivation hinter dem Projekt: „Es soll Bewusstsein für digitale Barrierefreiheit an der Universität schaffen – und Mitarbeiter*innen, die für digitale Inhalte und Services verantwortlich sind, brauchen das entsprechende Know-how, um die Teilhabe für betroffene Nutzer*innen zu ermöglichen.“
Das Team Barrierefrei ist ebenfalls am Projekt beteiligt. Sein Schwerpunkt liegt in der täglichen Arbeit auf der Beratung von Studierenden und Mitarbeiter*innen, beispielsweise wie sich Barrieren in der Lehre verringern lassen. Sophia Neuwirth vom Team Barrierefrei schätzt den fachlichen Austausch im Projekt: „Dort kann ich von Kolleg*innen lernen, die viel Wissen zur technischen Umsetzung digitaler Barrierefreiheit mitbringen. Im Gegenzug bringe ich Kontakte zu Kolleg*innen ein, die von Barrieren betroffen sind.“
Zusätzlich will das Projektteam aber auch konkrete Verbesserungen umsetzen. 7 Arbeitsgruppen mit Mitarbeiter*innen aus den DLE Öffentlichkeitsarbeit, Personalwesen und Frauenförderung, Studienservice und Lehrwesen, Universitätsbibliothek sowie Zentraler Informatikdienst bearbeiten dabei unterschiedliche Bereiche und leiten daraus Maßnahmen ab.
Einige der so entstandenen Services und Informationen stehen nun bereits zur Verfügung:
- Intranet-Bereich Digitale Barrierefreiheit: Der Bereich enthält grundlegende Informationen zur digitalen Barrierefreiheit und zu rechtlichen Vorgaben sowie Checklisten für unter anderem Webseiten-Administrator*innen und Redakteur*innen.
- Richtlinie digitale Barrierefreiheit: Sie enthält klare Vorgaben, mit welchen Maßnahmen digitale Barrierefreiheit an der Universität Wien umgesetzt werden soll und welche Ziele erreicht werden müssen.
- Kurse: Ein Einführungskurs sensibilisiert Mitarbeiter*innen für die Einschränkungen von Betroffenen und informiert zu den Richtlinien und Normen. Ein weiterführendes Kursangebot wird derzeit ausgearbeitet.
- Barrierefreiheitserklärung: Sie enthält eine Liste jener Inhalte auf der Webseite der Universität Wien, die noch nicht barrierefrei sind, und Kontaktinformationen für Feedback und Beschwerden.
- Anpassungen in zentralen Content-Management-Systemen: Neben TYPO3 werden beispielsweise auch Moodle und Wordpress angepasst, um Inhalte barrierefrei darstellen zu können.
Zusätzlich werden derzeit Gespräche mit Vertreter*innen von DLE, Fakultäten und Zentren geführt. Es geht darum, Informationen zur digitalen Barrierefreiheit auszutauschen und einen Überblick über die von den Organisationseinheiten genutzten digitalen Kanäle zu erhalten.
„Das Projekt hat einmal mehr aufgezeigt, dass Barrierefreiheit eine gemeinsame Aufgabe vieler unterschiedlicher Akteur*innen an der Universität Wien ist“, sagt Sophia Neuwirth vom Team Barrierefrei. Projektleiter Rainer Jantscher ergänzt: „Die DLE-übergreifende Zusammenarbeit im Projekt läuft hervorragend. Die Expertise aus den verschiedenen Bereichen ist eine enorme Bereicherung – und es ist motivierend zu sehen, wie wir alle an einem Strang ziehen, um Barrieren abzubauen.“